Heimat, Gott und Weidenschühchen: Lieblingskinderlieder im Frühling
– Ein Text von Matthias Meyer-Göllner –
„Auf einer Frühlingswiese schmettert ein Flatterling …“ und wundert sich über gar nichts mehr. Die Tiere feiern das Erwachen der Natur mit „Killewipp“ – was immer das genau bedeutet. Und mancher Pfadfinder grüßt das Eismeer, während er auf dem kalten Stein der Ostsee sitzend feststellt: „Über meiner Heimat Frühling.“
Das ist die Mixtur der Lieblingsfrühlingslieder, die das Privatrepertoire der Kinderliedermacher-Kolleginnen und -Kollegen bereichern, wenn sie an den Frühling denken. „Die ganze Welt ist wie verhext“, fanden schon die Comedian Harmonists, als sie sich in den 30er-Jahren dieses Themas annahmen: „Veronika, der Spargel wächst!“
Viele sind begeistert, denn „alles fängt zu blühen an!“ und zudem voll der Liebe: „Wenn ich zu meinem Schätzlein geh …“, heißt es weiter in dem Volkslied aus dem 19.Jahrhundert „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an“, das Birte Reuver aus Hamburg zu ihrem Lieblingsfrühlingslied erkoren hat. Sie mag vor allem den Taktwechsel, der sie so schön beschwingt und das Lächeln ihrer alten Nachbarin, wenn sie das Lied für sie singt. Womit wir auch wieder bei den Comedian Harmonists wären: „Sogar der Großpapa sagt zu der Großmama, Veronika der Lenz ist da“.
Frühlingsgefühle erwachen
Auch Ferri aus Frankfurt legt Wert auf die Auswirkungen, die der Frühling auf das Paarungsverhalten hat. In einem seiner Frühlingslieblinge heißt es: „Wie schön blüht uns der Maien/ der Winter fährt dahin./ Mir ist ein schöns Jungfräulein/ gefallen in meinen Sinn.“ („Wie schön blüht uns der Maien“, Volksweise/Max Pohl). An anderer Stelle bleibt es allgemeiner: „O holde Lust im Maien/ da alles neu erblüht,/ du kannst mir sehr erfreuen/ mein Herz und mein Gemüt.“ („Grüß Gott, du schöner Maien“, Volkslied 16. Jh).
Klar scheint dabei nur zu sein, dass der Frühling im Mai stattfindet, was aber auf die Betrachtungsweise ankommt: In Heinz Laus „Komm doch lieber Frühling“ singt der Vogel noch im Märzenwald. Es muss also auch dann schon etwas zu spüren sein, denn der helle Frühling kommt ja bald. Vermutlich ist es diese Vorfreude, die es zum Lieblingslied der Kinder in Unmadas Kinderwaldchor aus Hannover macht. Er selber liebt die etwas melancholischeren Klänge eines schwedischen Frühlingsliedes: In „Gamla moder jord“ spürt man im Werden auch schon wieder das Vergehen.
Nordischer Frühling
Nach Schweden in den Norden richtet sich auch der kühle Blick von Anders Orth (Lila Lindwurm) aus Mönchengladbach: „Grüß das Eismeer, Grüß das Nordkap!“ gibt er seiner als Schwan reinkarnierten Seele mit auf den Frühlingsweg, wenn sein Lieblingsfrühlingslied des alten Pfadfinders E. Koebel (Tusk) erklingt: Das eingangs erwähnte „Über meiner Heimat Frühling“ erzählt vor allem von der Sehnsucht nach den Steinen des Nordlands, während seine Wurzeln wohl eher russischer Natur sind. Aus dem Osten Richtung Norden also.
Und wieder zurück nach Osten verschlägt es Stephen Janetzko aus Erlangen und Cattu aus Berlin bei der Suche nach ihrem Lieblingsfrühlingslied. “Die kleinen Weidenkätzchen“ – ein altes Pionierlied von Irmgard Krauthoff und Johanna Kraeger – haben es dem Liedermacher aus der Hauptstadt angetan: „Wenn man den Kindern dazu noch echte ‚Kätzchen‘ mitbringt, sind die Kleenen meistens sehr begeistert“, gibt er als Gebrauchsanweisung dazu. Und bei mir fängt es in der Nase an zu kitzeln …
Stephen singt am liebsten „Killewipp“ mit den Tieren im Frühling. Ich weiß nicht genau, ob das Wort eine tiefere Bedeutung hat, im Lied geht es weiter: „ … der Frühling kommt, da feiern alle Tiere!“ Auch dieser Titel von Manfred Grote und Ingeborg Feustel stammt noch aus DDR-Zeiten, bei dem Stephen Melodie und Chorsatz gefallen aber vor allem das geheimnisvolle Wort: „Killewipp“.
Weidenschühchen aus der Ukraine
Was genau „Weidenschühchen“ sind, weiß ich auch nicht – kleine Schuhe, geflochten aus Weiden? Spezielle Stiefel zur Weidenüberquerung? Bunte Vormärzblüten? – Ich weiß nur, dass Nastja sie trägt, während sie auf ihren Liebsten wartet, der bald zurückkehren wird aus dem Kosakenland in die Ukraine. „Werbowaja doscecka“ heißt das Lied von den Weidenschühchen im Original, über das Pit Budde (Karibuni) aus Münster sagt, es gehöre zu einem der Hahilky-Lieder: „Zu den ältesten Frühlingsliedern in der Ukraine gehören die Hahilky Spiellieder. Ihr Ursprung lässt sich bis in die Zeit vor der Christianisierung zurückverfolgen. Nach dem langen, düsteren Winter war der Frühling für die Menschen eine Zeit der Hoffnung und Freude. Mit Gesängen, Tänzen und Spielen feierten sie die wieder ‚auferstandene‘ Natur.“
Schmetternder Flatterling
Die Vertauschungsverse vom Anfang stammen übrigens aus einem Lied von Frank Bode, das schlicht und einfach „Frühling“ heißt und somit als einziges aus dem aktuellen Kollegenkreise in dieser Übersicht erscheint. Das heißt – nicht ganz: Am Schluss möchte ich noch ein Gedicht anfügen, das eigentlich noch kein Lied ist und auch nicht direkt etwas mit dem Frühling zu tun hat. Bis auf den Krokus, der ja wohl dazugehört (wohl eher März als Mai). Und dann ist da noch dieses grundsätzliche Gefühl von Drang – dem Drang nach Natur, nach Erwachen, nach Neuem, nach Liebe und nach – aber dem möge der geneigte Leser selbst nachspüren. Es ist eigentlich ein langer Abzählreim und stammt von Erwin Grosche:
Der Krokus
Auf dem Lokus
steht ein Krokus
so im Wege
dass man nur noch
in der Schräge
und mit Winkeln
in den Lokus
pinkeln kann
fangen wir
fangen wir
an
In diesem Sinne wünsche ich allen eine musikalische Frühlingszeit. Wer will, kann sich die zum Artikel gehörende Playlist anschauen und –hören.
Hallo Freunde der Kindermusik,
dass das Lied über die Weidenkätzchen ein Pionierlied ist/war, habe ich erst durch diesen Artikel erfahren. Ich kenne es aus einem Schulliederbuch von Cornelsen-Volk und Wissen. Dort gab es auch ein sehr schönes Hörbeispiel zu dem Lied. Die hier vorgestellte Version aus der Playlist finde ich dagegen ziemlich gruselig. Der Zauber und Charme des Liedes geht völlig verloren und ich bin mir sicher, dass das Lied ursprünglich gar kein Pionier-Lied war. Na ja, aber das gab’s in der Geschichte ja schon häufig, dass Lieder zweckentfremdet wurden…
Es grüßt in die Runde:
Cattu, der Traumfänger